Der 1955 gegründete Schützenverein Sandkrug feiert in diesem Jahr sein 70-jähriges Bestehen. Für den Rückblick auf die letzten Jahrzehnte haben wir mit zwei Mitgliedern gesprochen, die die Vereinsgeschichte fast von Anfang an mitgeschrieben haben: Werner Krummland (Mitglied seit 1956) und Günter Lindemann, der 1958 im Alter von acht Jahren beitrat. Ihre Erinnerungen erzählen nicht nur von verregneten Schützenfesten und improvisierten Schießständen, sondern vor allem von Gemeinschaft, Engagement und von dem Mut zur Veränderung, der den Verein bis heute prägt.

Die Anfänge: Vom Saal zum eigenen Vereinsheim

„Man muss sich anschließen, wenn man irgendwo neu ist“, sagt Werner Krummland über seine ersten Tage in Sandkrug. Er fand den Weg in den Schützenverein und damit in eine neue Gemeinschaft. Günter Lindemann wurde durch einen Schulfreund und dessen Vater, der die Jugendarbeit übernahm, in den Verein geholt – und er blieb ein Leben lang.

Anfangs wurde noch in der Gaststätte Koopmann („Historische Gaststätte“) auf dem Saal geschossen. Das erste Königsschießen fand auf einem Bierausschank statt – mit Luftgewehren, mehr war damals noch nicht möglich. Doch der Verein wuchs schnell und schon 1959 wurde die erste eigene Schützenhalle mit fünf Kleinkaliberständen und mehreren Luftgewehrständen gebaut. Über 100 Mitglieder zählte der Verein damals schon, erinnern sich die beiden.

Aufstieg, Verantwortung und ganz viel Leidenschaft

Über die Jahrzehnte hinweg übernahmen beide Männer Verantwortung. Werner Krummland war von 1969 bis 1981 stellvertretender Sportleiter. Wegen der Familie trat er dann kürzer, blieb dem Verein aber stets verbunden. Günter Lindemann übernahm 1976 das Amt des Hauptmanns, dass er zuvor als Stellvertreter ausübte. Damit wurde er damals zum jüngsten Hauptmann. Lob bekam er nicht nur aus den eigenen Reihen: Ein Mitglied aus dem Schützenverein Munderloh sagte ihm einmal: „Da habe ich richtig Respekt.“ Sogar in einem befreundeten Verein in Thüringen sprang Günter spontan ein, als dort der Hauptmann ausfiel.

Sein Engagement setzte sich über Jahrzehnte fort: Als stellvertretender Sportleiter, später als Sportleiter, organisierte er den Schießbetrieb, wertete Ergebnisse aus und kümmerte sich um Pokale. Das Amt des Hauptmanns übergab er im Laufe der Zeit seinem Sohn Reiner. Bis 2010 blieb er jedoch als Stellvertreter an seiner Seite. Heute ist Günter zwar offiziell ohne Amt, aber aus dem Vereinsalltag nicht wegzudenken: Als „Greenkeeper“ pflegt er den Garten der Schützenhalle – inklusive des Rasens, den er damals beim Bau selbst angesät hat. Bei vielen Vereinsveranstaltungen ist er mit seiner Erfahrung unersetzlich. Werner ist ebenfalls weiterhin aktiv und nimmt beispielsweise bei der alljährlichen Fahrradtour mit großer Freude teil.

Unvergessliche Momente auf den ersten Schützenfesten

Unvergesslich bleiben für beide die ersten Schützenfeste. Werner erinnert sich besonders an das allererste Fest 1956: „Es war total verregnet, der Umzug musste ausfallen.“ Dennoch wurde gefeiert. Der Festplatz lag damals auf einer freien Fläche neben der „Historischen Gaststätte“, gefeiert wurde im Gasthof. Günter denkt gerne an die Kinderbelustigung zurück: ein glatter Kletterbaum mit Querstange, an der oben die Preise warteten. Er selbst machte mit und gewann – eine bleibende Kindheitserinnerung.

Damals wurde noch in zwei Gaststätten gleichzeitig gefeiert: Im „Kaffeehaus Streek“ (heute Limoncello) und in der „Historischen Gaststätte“. Als König musste man beide Orte besuchen. „Es gab nicht mal genug Stühle für alle!“, sagt Werner schmunzelnd. Später wurde ein großes Zelt aufgebaut, damit zentral gefeiert werden konnte.

Der Festmarsch am Sonntag mit auswärtigen Vereinen gehörte damals wie heute ebenso dazu. Eintritt auf den Festplatz? 60 Pfennig. Heute ist er frei.

Zwischen Adjutant und König – mit Humor und Herzblut

Auch das Königshaus ist Teil der Geschichte beider Männer. Günter war mehrfach König – erstmals 1975, dann 1986 und 1990. Dass er 1990 erneut König wurde, war eigentlich nicht geplant: „Ich wollte gar nicht.“ Danach habe er „Verbot“ von seiner Frau bekommen, erzählt er schmunzelnd: „Manchmal muss man halt auch daneben schießen, damit der Haussegen nicht schief hängt.“ Insgesamt war er sechsmal Adjutant.

Werner war ebenfalls mehrfach Adjutant – 1964 als Zweiter, 1966 als Erster. „Da hatte ich mit dem König gerechnet, war schon etwas enttäuscht. Aber immer war einer besser.“, sagt er heute mit einem Lächeln.

Mut zur Erneuerung – Der Weg zur neuen Schützenhalle

Eine der größten Herausforderungen in der Vereinsgeschichte war der Neubau der Schützenhalle in den 1980er Jahren. Die alte Halle stand auf fremdem Grund. Umbauten waren ohne langfristigen Pachtvertrag nicht möglich. Der Verein war gespalten: Die älteren Mitglieder waren gegen den Neubau einer Schützenhalle: „Wer soll das bezahlen?“ Doch eine Gruppe jüngerer Mitglieder, zu der auch Günter Lindemann zählte, stellte sich dieser Aufgabe.

Mit viel Eigenleistung, kreativen Finanzierungsideen wie der Lottokasse und dem Verkauf von Bausteinen (50 Mark pro Stück) und dem unermüdlichen Einsatz der Mitglieder – allein Günter leistete 600 Arbeitsstunden – entstand das neue Vereinsheim an der Blumenstraße. Zur Einweihung 1988 wurde eine Rotbuche gepflanzt, die bis heute besonders bei den Festlichkeiten im Vorgarten der Schützenhalle zur Geltung kommt.

„Damals haben sich viele geärgert“, sagt Günter rückblickend. „Heute wissen wir: Es war die beste Entscheidung. Denn ohne diesen Schritt, hätten wir heute kein Vereinsheim.“ Jetzt, wo er zu den älteren Mitgliedern gehört, vertritt er folgenden Standpunkt: „Wenn junge Leute was verändern wollen, muss man sie auch mal machen lassen.“

Tradition mit offenen Türen

Dass der Verein bis heute so lebendig ist, führen beide auf eine klare Haltung zurück: Offenheit für Neues. Bereits 1988 wurde mit einer Pfeil- und Bogenabteilung eine weitere Abteilung in den Verein integriert. Heute gibt es insgesamt sechs Abteilungen. Und wenn jemand keine traditionelle Schützenjacke mehr tragen will? „Dann ist das eben so“, sagt Günter. Wichtig sei, dass alle willkommen sind – ob traditionsverbunden oder modern orientiert. Diese Haltung zieht sich durch die Jahrzehnte. Veränderung war nie ein Bruch mit der Tradition – sie war ihre Fortsetzung. So auch die Verlegung des Schützenfestes von der Ortsmitte zur Schützenhalle? „Viel gemütlicher so“, finden Günter und Werner.

Der Blick nach vorn

Was wünschen sich die beiden für die Zukunft des Vereins? In erster Linie, dass das Schützenwesen lebendig bleibt. Beide hoffen, dass viele Traditionen noch lange fortbestehen: Der Festmarsch, die Denkmalpflege, die Organisation eines Schützenfestes – aber eben auch der Wille, sich immer wieder neu zu erfinden. Die jungen Menschen sollen weiterhin den Mut haben, neue Wege zu gehen – so wie sie es selbst einst taten. Der Schützenverein Sandkrug hat in 70 Jahren vieles erlebt. Menschen wie Werner Krummland und Günter Lindemann waren dabei und haben gezeigt, dass Tradition nicht im Stillstand lebt. Mit ihren Anekdoten und der klaren Botschaft, dass Veränderung kein Widerspruch zur Tradition, sondern ihr Schlüssel zum Fortbestehen ist, ziehen sie ein Fazit: „Man muss mit der Zeit gehen.“ So bleibt ein Verein lebendig und bereit für die nächsten 70 Jahre.